Mögliche Visualisierung.

des Erinnerns.

Erinnerungen begleiten unser gesamtes Leben. Sie können persönlich und intim, aber auch kollektiv und als ein gesellschaftliches Narrativ existieren. Sie beeinflussen wie wir handeln und denken und prägen unsere Persönlichkeit. Erinnerung ist Identitätsbildung: Das war ich, das bin ich. Erinnernd können wir uns selbst als Persönlichkeiten verstehen lernen.

Von den ersten Erinnerungen als kleines Kind ist wohl kaum ein Ort so tief verwoben mit unseren Erinnerungen wie das Zuhause. Der Wunsch nach einem Zuhause und das dazugehörige Gefühl sind nicht nur tief in jedem Menschen, sondern auch in unserem kollektiven Unbewussten tief verankert. Sie bestimmen, wie wir unser soziales Leben gestalten, wie wir das eigene Ich denken und erfahren und wie wir die Gesellschaft sehen in der wir leben. Zuhause ist der Ort des Erinnerns.

»Verwurzelung (...) wohl das wichtigste und am meisten verkannte Bedürfnis der menschlichen Seele« beschreibt die französische Philosophin Simone Weil.

Bei dem im Rahmen des BFF Förderpreis 2023 entstandenen Projekt des Erinnerns. handelt es sich um eine audiovisuelle Rauminstallation. Diese beschäftigt sich mit der Frage nach dem Zuhause und wie wir Menschen uns erinnern.

Was bedeutet Zuhause und welche Erinnerungen sind damit verknüpft?

Wie sieht der Prozess des Erinnerns in uns aus, was bedeutet es sich zu Erinnern und kann dieser Prozess abgebildet werden?

Sind Erinnerungen das, was uns als das definiert, was wir sind und was uns zusammenhält?

Um diesen Fragen nachzugehen, wurden mit vier Protagonist:innen Interviews zu den Themen Erinnerung und Zuhause durchgeführt. Die Protagonist:innen sind zwischen 30 und 37 Jahren alt, leben in Berlin und sind in vergleichbaren sozialen Gruppen verankert. Sie sind verheiratet, alleinerziehend, in wechelnden Beziehungen, bringen je einen eigenen Hintergrund und Lebensweg mit.

Während des Interviews wurden mittels Elektroenzephalografie (EEG) die Hirnaktivitäten der Protagonist:innen aufgezeichnet. Bei einem EEG wird mittels Elektroden die Aktivität des Gehirns in Form von Wellen aufgezeichnet. Jede der aufgezeichneten Wellen gibt Auskunft über die Aktivität der Nervenzellen einer bestimmten Hirnregion, also ob man wach ist oder schläft, sich konzentriert oder müde ist.

In einem zweiten Schritt wurde eine Photogrammetrie des jeweiligen Zuhauses der Protagonist:innen angefertigt. Photogrammetrie ist ein Verfahren um aus einer Vielzahl von Bildern ein 3D Modell zu erstellen.

In dem Projekt des Erinnerns. unterliegen die erstellten Photogrammetrien einer, auf Basis der aufgezeichneten EEG-Daten, stetigen Veränderung. Die Räume bauen sich auf, zerfallen wieder, sind entsprechend der aufgezeichneten Hirnaktivität stetig in Bewegung. Sie zeigen je nach Protagonist:in eigene Bewegungsmuster und Strukturen. Zudem legt sich ein feines, sich veränderndes Netz an Linien über den Raum und verbindet zufällige, räumlich projizierte Datenpunkte des aufgezeichneten EEG - als Abbild eines neuronalen Netzwerks und der inneren Prozesse beim Erinnern.

Parallel zu den visuellen, sich verändernden Räumen sind Ausschnitte der Interviews zu hören. Diese sind je aus einer Ecke der Installation zu hören, wechseln sich ab, ergänzen und widersprechen sich. Dabei wird das Bild immer durch die EEG-Daten beeinflusst, die zeitgleich zu den entsprechenden Worten aufgezeichnet wurden. Mit jedem Wechsel der Protagonist:in kommt es somit auch zu einem Wechsel des Raumes.

Die folgende Installation ist eine Einladung, sich mit dem Vorgang des Erinnerns auseinanderzusetzen und sich auf die vier teils sehr unterschiedlichen, teils sich ergänzenden Positionen der Protagonist:innen einzulassen.

Die hier vorliegende Arbeit wurde ohne Zuhilfenahme von KI und nur mit den oben aufgeführten Datenquellen erstellt.

Bitte beachte, dass es sich bei der unten gezeigten Visualisierung um ein 360° Video handelt. Nach dem Starten des Videos ist es möglich sich mittels links-klicken und ziehen mit gedrückter Maustaste im Raum umzuschauen. Im Vollbildmodus ist es zudem möglich über das Mausrad in die Szene hinein- und herauszoomen. Auf einem Tablet lässt sich der Raum als immersives Video erfahren.

Für ein räumlicheres Erlebnis bitte Kopfhörer aufsetzen.

Warnung: Das Video beinhaltet sich schnell bewegende Objekte und flackernde Lichter.

Jonas Ruhs, des Erinnerns. , 2024, UHD 360° immersives Video, 9:51 min,

Fotogrammetrien, EEG, deutscher O-Ton, Berlin.

Ausstellungen:

Zingst Horizonte Fotofestival, 07.-16.06.2024

Galerie Schacher - Raum für Kunst Stuttgart, 12.07.-08.09.2024

Talks und Events:

BFF Aufschlag 15, Hamburg, 28.06.2024

Rancontre d´Arles, Leica Symposium, 04.07.2024

Auszeichnungen:

BFF Förderpreis Bronze Award

Vielen Dank an:

Tania Reinicke für die Unterstützung und Zusammenarbeit während des gesamten Projekts.

Axel, Hanna, Lena und Max für ihre Offenheit in Worten, Räumen und Erinnerungen.